Gerichtsgarten

Eine der interessantesten Stadtentwicklungslösungen im galizischen Wadowice ist der Platz zwischen dem Gebäude des Distriktgerichts im Süden, dem Mietshaus von Izydor Daniel im Westen, dem Gymnasium im Norden und den Mietshäusern der Familie Leibler und Andrzej Marekowski im Osten. Im Jahr 1887 wurde in der Mitte des Platzes ein Sockel mit einer Büste des österreichischen Barons Joseph Baum von Appelshofen (1821-1883) aufgestellt. Er stammte aus einer sächsischen Familie, die sich in Polen niedergelassen hatte, und wurde als lokaler politischer und sozialer Aktivist bekannt. In den 1870er-Jahren engagierte er sich persönlich in die Einrichtung eines Distriktgerichts in Wadowice. Das Denkmal des Barons wurde zu einem festen Bestandteil der Landschaft des galizischen Wadowice, leider ist es heute nicht erhalten.

Das Gebäude des Kaiserlich-Königlichen Gymnasiums für Geisteswissenschaften in Wadowice

Im Jahr 1866, nach mehr als 30-jährigen Bemühungen, erteilten die Zentralbehörden in Wien Genehmigung für die Eröffnung eines Gymnasiums für Geisteswissenschaften in Wadowice. Bis 1895 war es das einzige polnische Gymnasium in Galizien, westlich von Krakau. Für arme Jugendliche aus den umliegenden Bezirken war die Ausbildung in Wadowice in der Regel der einzige mögliche Weg zum Abitur und später zum Studium: Medizin, Jura, Theologie oder einer Militärkarriere. Das Niveau der Ausbildung war sehr hoch, wie die Karrieren der Absolventen zeigen, die in der galizischen Zeit die Mauern dieser Schule verließen. Zu erwähnen sind der heilige Józef Bibczewski (1860-1923), General Walerian Czuma (1890-1962) und der Schriftsteller Emil Zegadłowicz (1888-1941).

Ursprünglich war das Gymnasium im Gebäude des Magistrats untergebracht, die Wiener Regierung stellte jedoch die Bedingung für das weitere Bestehen des Gymnasiums den Bau eines neuen Gebäudes. Die feierliche Eröffnung des Schulgebäudes (1875) fand in Anwesenheit der örtlichen Beamten und Schüler statt.

Das Gebäude des ehemaligen Distriktgerichts in Wadowice

Einen besonderen Platz im öffentlichen Stadtbild von Wadowice des 19. Jahrhunderts nahm das Gerichts- und Gefängnisgebäude ein. Im Jahr 1876 richtete das Präsidium des K.u.K. Obergerichts in Krakau mit Genehmigung von Kaiser Franz Joseph ein Distriktgericht in Wadowice ein. Die Stadt wurde verpflichtet, einen Sitz für dieses Gericht vorzubereiten. Die Stadtverwaltung beschloss den Bau eines neuen und modernen Gebäudes. Die Investition wurde 1881 abgeschlossen, und ein Jahr später wurde das Gericht offiziell eingeweiht. Als Sitz des Distriktgerichts wurde die Stadt zum wichtigsten Justizzentrum westlich von Krakau. Von nun an umfasste der Gerichtsbezirk ein Distriktgericht in Wadowice und elf ihm unterstellte Gerichte: in Andrychów, Biała, Jordanów, Kalwaria, Kęty, Maków, Milówka, Myślenice, Oświęcim, Ślemień und Żywiec sowie ab 1892 auch in Zator. Die Unterbringung des Gerichtssitzes in Wadowice war ein Zeichen für das Prestige und den hohen Stellenwert der Stadt in den städtischen Strukturen Galiziens jener Zeit. An der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert fanden hier berühmte Prozesse statt, die von der Öffentlichkeit nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa mit großem Interesse verfolgt wurden.

Der berühmte Prozess der Wanda Krahelska-Dobrodzicka (17.-18.02.1908)

Krahelska, Mitglied der Revolutionären Fraktion der Polnischen Sozialistischen Partei, verübte im August 1906 in Warschau ein erfolgloses Bombenattentat auf den von den Polen verhassten russischen Militärgouverneur von Warschau, General Georg Antonowitsch Skalon. Als Gerichtsort wurde Wadowice gewählt. Die polnischen Geschworenen sprachen Krahelska von allen Vorwürfen frei. Zahlreiche Bürger und Schaulustige, die eigens zu diesem Anlass nach Wadowice gekommen waren, warteten vor dem Gerichtsgebäude auf die polnische Heldin. Vor dem Eingang war ein provisorisches hölzernes Triumphtor errichtet worden, durch das Krahelska getragen wurde, als sie das Gerichtsgebäude verließ. Verteidiger von Krahelska war der in Wadowice ansässige Rechtsanwalt Stanislaw Łazarski (1849-1938), der durch Teilnahme an diesem Prozess berühmt wurde. Auf Antrag von Józef Piłsudski wurde er mit dem Orden der Polonia Restituta und dem Kreuz der Legionen ausgezeichnet.

Die Mietshäuser der Familie Leibler und Andrzej Marekowski

Der Gerichtsgarten wird im Osten durch das Haus der Familie Leibler abgeschlossen, das mit einem Mietshaus (näher am Gerichtsgebäude) verbunden ist, das Andrzej Marekowski gehörte — einem Rechtsanwalt aus Wadowice und Teilnehmer des Januar-Aufstandes. Aufgrund seiner Lage war das Haus von Marekowski an mehrere Anwaltskanzleien vermietet. Das Gebäude ist mit dem Schicksal des Schriftstellers und Dramatikers Adolf Nowaczyński (1876-1944) und vor allem Stefan Kotlarczyk (1874-1931), einem lokalen Kulturanimateur und Vater Mieczysław (1907-1978) – Gründer und Leiter des berühmten Rhapsodischen Theaters in Krakau, verbunden.

Das Mietshaus von Izydor Daniel

Der zunehmende Wohlstand der Bürger von Wadowice führte dazu, dass Backsteinhäuser und Mietshäuser Ende des 19. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil des Stadtbildes wurden. Sie wurden nicht nur am Marktplatz, sondern auch entlang der wichtigsten Straßen, die vom Stadtzentrum abgingen, errichtet. Einige von ihnen sind bis heute Wahrzeichen von Wadowice und Perlen der bürgerlichen Architektur der galizischen Zeit. Ein solches Haus ist das freistehende Gebäude im westlichen Teil des Gerichtsgartens, in der ehemaligen Wiener-Straße (heute Mickiewiczastraße). Es wurde von dem Wadowicer Rechtsanwalt Izydor Daniel (1852-1917/1918), einem der verdientesten  Bürger der Stadt der damaligen Zeiten, erbaut.