Wadowice Synagoge

Ich habe noch lebhaft das Bild vor Augen, wie die Juden an einem Samstag zur Synagoge gingen, die sich hinter unserem Gymnasium befand. Die beiden religiösen Gruppen, Katholiken und Juden, waren, wie ich vermute, durch das Wissen vereint, dass sie zu demselben Gott beten. Trotz der unterschiedlichen Sprache basierten die Gebete in Kirche und Synagoge weitgehend auf denselben Texten.

                                                                           Johannes Paul II.

Die Ursprünge der jüdischen Gemeinde in Wadowice reichen in die galizische Zeit zurück. Die meisten von ihnen waren in Handel und Handwerk tätig. Im Jahr 1880 betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der Stadt mehr als 8 % (404 Personen) und am Vorabend des Zweiten Weltkriegs etwa 20 % (2000 Personen). Als die jüdische Bevölkerung in Wadowice wuchs, errichtete die jüdische Gemeinde eine Backsteinsynagoge im Stil moderner westlicher Synagogen (1885–1889), entworfen von dem bekannten Architekten Karol Korn aus Bielsko. Heute gibt es keine Spur mehr von dem Gotteshaus, weil es im Herbst 1939 von den Deutschen niedergebrannt und seine Überreste ein Jahr später gesprengt wurden.

Karol Wojtyła wuchs in einer Atmosphäre von zwei Kulturen und zwei Religionen auf. Zu seinen Schul- und Spielkameraden gehörten Juden aus Wadowice, und einer von ihnen, Jerzy Kluger, zählte zu seinen engen Freunden. Die Anfänge seiner Freundschaft mit dem jüdischen Jungen reichen bis in die Grundschulzeit zurück. Eines Tages suchte er Lolek, um ihm die dringende Nachricht zu überbringen, dass sie beide ins Gymnasium aufgenommen worden waren. Er betrat die Pfarrkirche, womit er das Erstaunen einer der Frauen provozierte, die angeblich sagte: „Du bist ja doch der Sohn des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde!“ Daraufhin soll der junge Wojtyla antworten: „Sind wir nicht alle Kinder eines Gottes?“

Die beiden Jungen besuchten sich oft gegenseitig. Karol kam oft zu den Klugers, um Radio zu hören. Außerdem leitete Jerzys Vater Wilhelm ein Streichquartett, das zweimal in der Woche in ihrem Haus probte, und Karol kam, um der Musik zuzuhören. 1936 wurde der junge Karol Wojtyła von W. Kluger zu einem besonderen Konzert des damals berühmten Tenors Mojsze Kusewicki in die Synagoge von Wadowice eingeladen. Wahrscheinlich war dies das erste Mal, dass der zukünftige Papst die Schwelle eines Tempels einer anderen Religion überschritt.

1989, am Jahrestag der Auflösung des Gettos von Wadowice (1943), wurde an dem Gebäude, das an der Stelle der Synagoge stand, eine Gedenktafel für die während des Krieges von den Deutschen ermordeten Juden angebracht. An dem Treffen der Überlebenden des Holocaust nahm auch ein Freund des Papstes, Jerzy Kluger, teil, der einen in seinem Namen an die Versammlung gerichteten Brief verlas: „Die Kirche, und in dieser Kirche alle Völker und Nationen, fühlen mit sich Euch verbunden. Das Leiden, die Zerstörung, bringen sozusagen Euer Volk an die Spitze – denken wir daran, dass wir nicht weit von Oświęcim [wo sich derzeit das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau befindet], entfernt sind – wenn sie mit einer mahnenden Stimme zu den Menschen, zu den Nationen und zur Menschheit sprechen wollen. In Ihrem Namen erhebt auch der Papst diese Stimme der Warnung, und der Papst aus Polen hat eine besondere Beziehung dazu, weil er all dies in gewisser Weise zusammen mit Euch hier, in seiner Heimat erlebt hat.“

Das Pontifikat von Johannes Paul II. wurde zu einer Zeit der Versöhnung zwischen Christen und Juden. Der Papst behandelte die Anhänger des Judentums als „unsere geliebten, älteren Brüder im Glauben“.

Im Jahr 2003 verlieh der Polnische Rat der Christen und Juden Kluger den Titel „Mann der Versöhnung“. Das letzte Mal sah Jerzy Kluger Johannes Paul II. wenige Tage vor dessen Tod im Jahr 2005. Der päpstliche Freund starb 2011 und wurde auf dem römischen Judenfriedhof beerdigt.

Heute befindet sich an der Stelle der ehemaligen Synagoge in Wadowice ein öffentlicher Kindergarten, der in den 1950er Jahren gebaut wurde.