Die Lemberg-Wien-Straße ist seit ihrer Entstehung die Hauptverkehrsachse von Wadowice. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert folgte die räumliche Entwicklung der Stadt gemäß ihrem Verlauf: in den folgenden Jahrzehnten wurden die wichtigsten öffentlichen Gebäude entlang dieser Straße, in West-Ost-Richtung errichtet.
Das Gebäude des ehemaligen Distriktrates und der Kreissparkasse
Ein sichtbares Symbol des Bauaufschwungs in den 1890er-Jahren in Wadowice war das Gebäude des Distriktrates und der Kreissparkasse (1896), das noch heute zu den architektonischen Schmuckstücken der Stadt gehört. Das Gebäude wurde nach den Plänen des Krakauer Architekten Ignacy S. Sowiński (1858-1917) errichtet.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war in einem Flügel des Gebäudes die Kreissparkasse untergebracht. Als das erste Kreisinstitut dieser Art in Galizien (1873) gewährte sie Kredite und führte Einlagen. Sie führte auch eine regionale Filiale der Nationalbank mit Sitz in Lemberg.
Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs befand sich in dem Gebäude auch der Sitz der ersten Pfadfindergruppe zum S. Żołkiewski, in der Józef Herzog (1902-1983) und Wincenty Bogdanowski (1894-1982) aktiv waren. Herzog war Soldat der polnischen Legion (ab 1915) und dann des 56. Infanterieregiments der österreichischen Armee (ab 1917). Nach den Kämpfen um die Grenzen der Zweiten Republik diente er in der polnischen Armee. In der Zeit der Volksrepublik Polen initiierte er in Krakau den Geheimbund der Polnischen Legionäre. Als Schüler des Gymnasiums in Wadowice war Bogdanowski Stellvertreter in der ersten Wadowicer Pfadfindergruppe. In späteren Jahren war er Vizepräsident der Stadt Krakau und Aktivist der Polnischen Volkspartei.
Restaurant, Hotel und Kinotheater von Teofil Wysogląd
Gegenüber der Kasse wurde das Gebäude der Pferdepost gebaut (1805), in dem nach späterem Umbau (1900) das Restaurant von T. Wysogląd untergebracht war. Im hinteren Teil des Gebäudes wurde der Beamten-Lesesaal, d. h. (städtisches) Beamtencasino eingerichtet. Im Januar 1915 war hier J. Piłsudski zu Besuch, der mit Legionären auf der Durchreise durch Wadowice war. „Beim Wysogląd“ fanden Gelegenheitsveranstaltungen wie „Studentenbälle“ (Vorabiturfeierlichkeiten) oder Theateraufführungen statt. Während des Ersten Weltkriegs wollte man in Wadowice zumindest einen Ersatz für „Normalität“ schaffen, und so wurde um die Jahreswende 1915/1916 in der Gaststätte ein Kinotheater in Gang gesetzt. Das Repertoire umfasste Filme wie: „Quo vadis“ (1915), „Alexander“ (1916), „Matyl“ (1917), „Die letzten Tage von Pompeji“ (1917) und „Kleopatra“ (1917).
Regelmäßiger Besucher des Beamtenlesesaales war Jan Doroziński (1862-1942), Professor und Direktor des Gymnasiums in Wadowice. Dort spielte er auch leidenschaftlich Schach. 1908 gewann er (als einziger) eine Partie in Krakau gegen den späteren amerikanischen Schachmeister Frank Marshall.